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Zur Semantik der Begriffe "Arbeit” und "Arbeitsplatz”
Jürgen Markowitz

(Sorry, text in German only)

Das Problem der Referenz gehört zu den gepflegten Topoi der Erkenntnistheorie. Man weiß, daß jede konkrete Semantik durch die Art geprägt ist, in der sie den Bezug auf ihre Gegenstände gestaltet. In der Soziologie zum Beispiel hat es sich im Anschluß an Autoren wie Max Weber eingebürgert, den Akteur als grundlegenden Referenzpunkt anzusehen. Die traditionelle Soziologie pflegt eine Akteurssemantik und hat in dieser Hinsicht mit anderen Sozialwissenschaften eine Art großer Koalition gebildet. Akteur als Referenzpunkt besitzt offenbar eine derartige Suggestivität, daß man kaum auf den Gedanken kommt, nach alternativen Möglichkeiten zu fragen. Das ist im Fall der Sozialwissenschaften eigentlich erstaunlich. Denn genau genommen thematisieren sie nicht Akteure, sondern die Beziehungen zwischen ihnen. Deswegen liegt es eigentlich nahe, die Referenz zu ändern und als Bezugspunkt nicht den (welchen?) Akteur zu wählen, sondern die Relation zwischen Akteuren. Man legt damit die Grundlage für eine Semantik, die sich nicht an Substanzen und Akzidentien orientiert, sondern am Ablauf von Prozessen, also an deren Fungieren. Neben die etablierte Akteurssemantik tritt so als weitere Möglichkeit etwas, das man als Funktionssemantik bezeichnen kann.

Die Soziologie hat auf der Basis dieser beiden Referenzpunkte zwei semantische Hochformen entwickelt: Handlungstheorie in ihren diverseren Spielarten (Akteurssemantik) und Systemtheorie (Funktionssemantik). Beide Theorien konkurrieren gegeneinander. Die soziale Praxis ist von dieser Konkurrenz kaum berührt. Sie benötigt nur selten Hochformen der Semantik (Theorien), ist anderen Konsistenzanforderungen ausgesetzt als die Theoriebildung und sieht sich nicht zuletzt deshalb in der Lage, das Referieren in den alltäglichen bzw. professionellen gedanklichen und kommunikativen Prozessen variabel zu gestalten. Aber Vorsicht: variabel sollte nicht als beliebig gelesen werden. Man kann das hier angedeutete Problemdesign gut nutzen, um Komplikationen im eingespielten Umgang mit gesellschaftlich bedeutsamen semantischen Komplexen zu beobachten. Das kann man gut am Beispiel der beiden Begriffe Arbeit und Arbeitsplatz sehen. Zunächst zu Arbeit:

Arbeiten wird als etwas angesehen, das man sehr bewußt betreibt, das man ausdrücklich beabsichtigt. Im Zentrum der Begriffsbildung steht der Akteur, einerseits mit einem Intendieren, das ihn in seiner Bedürftigkeit reflektiert, andererseits mit seinem anschließenden Verhalten, das die Realisierung des angestrebten Zwecks betreiben muß. Die Semantik der Arbeit ist durch diesen Bezug auf den Akteur geprägt; sie ist eine Akteurssemantik.

Max Weber hat gezeigt, daß die Auffassung, die eine Kultur von Arbeit pflegt, sehr stark von der herrschenden Weltanschauung geprägt ist. Arbeitserfahrung und Weltanschauung konstituieren im Verhältnis zueinander nicht nur das, was Weber unter dem Titel Ethik beschreibt. Weltanschauung setzt nicht nur das, was wir glauben, sondern auch die Art, wie wir die Weit anschauen. Weltanschauung enthält neben den theologischen immer auch heuristische Komponenten. Und gerade diese Komponenten sind für den Zusammenhang zwischen Weltanschauung einerseits sowie Praxis bzw. Arbeit andererseits von ausschlaggebender Bedeutung.

Arbeit wird in einer Weise angeschaut, die sich genau an dem orientiert, was Akteure und ihre Aktionen grundlegend kennzeichnet: nämlich die Fähigkeit, Absichten, Intentionen ins Auge zu fassen sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, um diese Absichten zu realisieren. Arbeiten ist - in diesem Verständnis - das anstrengende Realisieren lohnender Zwecke, ist das durch Absichten geleitete Schaffen von Werken. Diese übliche Vorstellung von Arbeit trägt den akteurszentrierten Mikrokosmos, den gelebten Alltag. Aber nicht nur das: Die Konstruktion eines Schöpfer-Gottes gestattet die Verbindung des Mikro- mit dem Makrokosmos. Dieses semantische Arrangement ermöglicht es einem gläubigen Menschen, sich nicht nur die kleine Welt seiner eigenen Praxis, sondern alles, das Universum insgesamt, als das Resultat von Arbeit, als ein Werk vorzustellen. Zwar liegen Welten zwischen eigener Ohnmacht und göttlicher Allmacht. Aber - und das ist entscheidend - man benötigt keine grundlegend andere Art des Vorstellens, um Lebenswelt und Weltall als Zusammenhang, als Universum zu begreifen.

Das Konstrukt eines Schöpfer-Gottes verhindert, daß das akteurbezogene Weltverständnis mit dem Faktum seiner nur sehr begrenzten Brauchbarkeit konfrontiert wird. Die grundlegende Problematik alles Sozialen, die Tatsache, daß es Menschen nur im Plural gibt, wird durch den Glauben an einen Schöpfer-Gott in einer Weise interpretiert, die man nur als höchst folgenreiche Verharmlosung bezeichnen kann. Die Figur des Schöpfers setzt die Menschen gleich: sie alle sind seine Geschöpfe. Mit Bezug auf ihren Schöpfer bilden sie eine Gemeinschaft. Das Faktum der Pluralität wird auf diese Weise semantisch als unproblematischer Sachverhalt signiert. Menschen leben immer schon in Gemeinschaft. Zwar gibt es verschiedene Formen der Gemeinschaft. Aber es erscheint nicht weiter erklärungsbedürftig, wie diese Gemeinschaften zustande kommen. Eine Jahrtausende währende Praxis der agrarisch-dörflichen Lebensführung scheint zu belegen, daß Mensch und Gemeinschaft eine natürliche Einheit bilden. Interessant ist die strukturelle Parallelität zwischen Mikro- und Makroperspektive: Die gleichen begrifflichen Instrumente, derer man sich bei der Zuwendung zu einzelnen Akteuren bedient, scheinen auch dann wie selbstverständlich gültig, wenn man das Augenmerk nicht mehr auf Einzelne, sondern auf die Gemeinschaft richtet. Denn genau so, wie man im Mikrobereich die verschiedenen Verhaltenskomponenten eines einzelnen Akteurs als durch seine je aktuelle Intention integriert ansehen kann, genau so scheint man auch in der Makroperspektive eine Gemeinschaft als zielintegriert auffassen zu können.

Angesichts moderner Sozialerfahrungen wird man die Akteurssemantik als nur noch bedingt brauchbar einstufen und relativieren müssen. Urbanisierung, Industrialisierung und jetzt Globalisierung sowie Deregulierung in den verschiedenen Dimensionen zeigen deutlich an, daß die vormodernen Gemeinschaftsbildungen nur deshalb als problemlos gegeben erscheinen konnten, weil die Orientierung des Verhaltens unter dem Einfluß gebieterischer Traditionen stand. Die alles durchdringende Modernisierung jedoch hat Menschen unter Gesichtspunkten ins Verhältnis zueinander gesetzt, die sich nicht mehr durch Rückgriff auf Traditionen oder auf Natur interpretieren lassen. Die Orientierung an Traditionen muß durch eine Orientierung an Funktionen erweitert werden.

Nicht nur das Konstrukt des Schöpfer-Gottes scheint in der modernen Welt an Überzeugungskraft erheblich eingebüßt zu haben. Auch solche Nachfolge-Konzepte wie Vorsehung, historisches Subjekt, Klasse und dergleichen sind einer semantischen Erosion ausgesetzt. Das heißt jedoch keineswegs, daß auch die für den Alltag so überaus bedeutsamen strukturellen Effekte dieser ursprünglich religiös fundierten Deutungsweisen ausgewechselt würden. Man kann jetzt zwar die eigene Arbeit nicht mehr als Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes oder am historischen Fortschritt deuten. Und man ist genötigt zu sehen, daß dieser Sachverhalt auch für die Nachbarn und sonstigen Mitmenschen gilt. Dennoch dominiert jenseits von Fachsemantiken noch immer die Semantik der Akteure. Man bleibt bei der altehrwürdigen Vorstellung der Arbeitsteilung, gerade so, als gebe es immer noch irgendeine unsichtbare Hand, die die Arbeit der Vielen zu einem gemeinsamen Projekt integriert. Das Leben in dieser Welt ist nach wie vor durch Mangel gekennzeichnet. Arbeit ist deshalb noch immer das anstrengende Bemühen, den vorgegebenen Mangel zu kompensieren. Und da im Prinzip alle Menschen dem Faktum des Mangels ausgesetzt sind, deshalb kann man allem Anschein nach menschliches Wirtschaften auch weiterhin als kooperative Anstrengung begreifen, die vorgegebene Knappheit zu kompensieren.

Auch die Semantik der Knappheit ist durch eine eigentümliche Referenz strukturiert. Knappheit wird traditionell als Mangel an Gütern gedeutet. Daraus leitet sich auch das die Arbeit begleitende Berufsverständnis ab; es ist auf eigenartige Weise gegenständlich orientiert. Es kann - als existentiell bedeutsam gewürdigt - die Sozialdimension als zweitrangig einstufen und sich um die Sachdimension zentrieren. Die tradierte Semantik des Berufs birgt in sich unter anderem die Vorstellung, daß das Angebot ausgewiesener Kompetenz einerseits, die Nachfrage nach Problemlösungen andererseits nicht über besondere Anstrengungen der Akquisition miteinander vermittelt werden müssen. Die bemerkenswerte Disbalance im Gewichten der Sinndimensionen zieht beträchtliche Konsequenzen nach sich.

Wenn man die Sachdimension zentral setzt, dann befördert man ein Verständnis von Arbeit, das eigentümlich monologisch fundiert ist. Als Arbeit gilt in dieser Sicht die notfalls auch allein zu vollbringende werkorientierte Auseinandersetzung mit irgendeiner Art von Gegenständlichkeit. Die Sozialdimension kommt allenfalls dann ins Spiel, wenn es um Tradierung der Kompetenz, etwa um Ausbildung und um Kontrolle oder wenn es um die Abwehr von Deprivationen geht.

Diese semantische Konstellation begünstigt einen wirtschaftsfernen Begriff von Arbeit oder ein nicht mehr zeitgemäßes Verständnis von Wirtschaft. Die Problematik der (modernen) Wirtschaft ist nicht (mehr) in der Produktion, sondern in der Akquisition zu sehen. Wirtschaft steht nicht für Industrie; sie ist keine technische, sondern eine soziale Veranstaltung. Wirtschaft ereignet sich nicht in Werkshallen und auch nicht in Konstruktionsbüros, sondern auf Märkten und sonst nirgendwo. Nicht der Mangel, sondern vielmehr der Überfluß an Gütern und Leistungen definiert die Problematik der modernen Wirtschaft. Die Wirtschaft der Gesellschaft ist durch die Paradoxie der knappen Knappheit gekennzeichnet. An dieser Konstellation hat sich eine Semantik der Arbeit zu orientieren, die Akteuren - zum Beispiel Schülern - die Teilhabe am Leben der Wirtschaft erleichtern will. Und die definitorische Konsequenz kann nur lauten: Ökonomische Arbeit ist das, was andere dafür halten, ist das, wozu sie zu zahlen bereit sind.

Es sollte in dieser Problemperspektive klar werden, daß das übliche Verständnis von Partizipation nicht 'ursprünglich' genug angelegt ist. Die Regelung der Anteile an Gütern und Entscheidungen kann nur noch als abgeleitetes Problem angesehen werden. Das Problem der Partizipation ist in der modernen Gesellschaft zu einem Problem der Semantik geworden. Es geht darum, die Referenzen zu kontrollieren. Der Bezug auf "den" Akteur reicht allein nicht (mehr), der Bezug auf Funktion(en) muß hinzukommen. Das wird besonders deutlich, wenn man als weiters Beispiel die Semantik des Arbeitsplatzes studiert.

Das etablierte Verständnis des Arbeitsplatzes wird von einer Sozialerfahrung geprägt, - die über Jahrhunderte gewachsen und auf der Erfahrung der Oikoswirtschaft beruht. - Das Begriffsverständnis hat Otto Brunner in einer berühmten Studie beschrieben: "Wirtschaft gehört zu Wirt, das ursprünglich nicht nur den 'planvollen Erzeuger und Verwender der Güter' bezeichnet, sondern soviel wie 'Pfleger' heißt, ein Wort, das zu Pflicht, pflegen, sich für jemanden einsetzen, gehört, das den Schutz übenden, sorgenden Inhaber des Hauses, den Hausherrn, Hausvater bezeichnet". Wirtschaft war in diesem Verständnis gleichbedeutend mit Haus, häuslicher Einheit (Oikos). In ihr "ist das Grundlegende Sozialgebilde aller bäuerlichen und bäuerlich-adeligen Kulturen" zu sehen. Daraus resultiert das, was Brunner das Wirtschaftssystem der "einfachen zentralgeleiteten Wirtschaft" nennt, eine Art Wirtschaft, "in der der Wirtschaftsleiter über Erzeugung und Verbrauch bestimmt und den Wirtschaftsplan festlegt. Das setzt aber voraus, daß dieser Wirtschaftsleiter eben mehr ist als der Leiter einer Wirtschaft im modernen Sinne. Er muß Wirt, Hausherr, Pfleger im älteren Sinne sein, der über die hier vereinigten Menschen, Produktionsmittel, Verbrauchsgüter verfügen kann, der Produktion, Arbeitseinsatz und Konsumtion gleichzeitig zu regeln vermag. Die Bauernwirtschaft war ohne die lohnlose Arbeit der Familienmitglieder, ohne die 'Herrschaft' des Wirtes, des Hausherrn über die Familie nicht denkbar, sie bestand notwendigerweise in der Sozialform des ganzen Hauses'. Sie war stets eine auch die menschlichen Beziehungen im Hause miteinschließende 'Wirtschaft' im älteren Sinne."

Die Rolle des Hausherrn, des Wirtes, fungierte als Bezugspunkt der Semantik. Auf diese Rolle waren die übrigen Rollen in prägnanter Komplementarität bezogen. Statt Lohn oder irgendeine andere Art des Anspruchs auf Entgelt gab es die Verpflichtung des Hausherrn auf den Schutz aller anderen. Dieser Zusammenhang ist durch die Industrialisierung aufgelöst worden. Das Wirtschaften in der Gesellschaft hat sich - wie andere Lebensbereiche auch - in der Moderne zu einem funktionsautonomen Teilsystem verselbständigt. Diese funktionsorientierte Verselbständigung ehemals zusammenhängender Lebensvollzüge hat zwar das Leistungsvermögen dieser Funktionssysteme enorm gesteigert. Gleichzeitig stellte sich jedoch die Frage, wie die gesamte Bevölkerung an allen Funktionssystemen teilhaben könne, wenn deren Betrieb doch - als Kehrseite der Leistungssteigerungen - immer höhere Anforderungen an die Kompetenz der Teilnehmer stellt.

Diese Schwierigkeit der Inklusion der gesamten Bevölkerung ließ sich nur dadurch bewältigen, daß sich ein Gefüge komplementärer Rollen bildete, wie wir es nach dem Muster von Anwalt und Klient, von Arzt und Patient, von Priester und Gläubigem usw. kennen. Diese Konstellation der Inklusion ist in den meisten Funktionssystemen gleich: nicht jeder kann Arzt sein, sehr wohl aber Patient; nicht jeder kann Lehrer sein, sehr wohl aber Schüler; nicht jeder kann Richter werden, sehr wohl aber Kläger oder Beklagter; nicht jeder kann Abgeordneter werden, aber jeder darf wählen usw.

Obwohl die funktionale Differenzierung zu enormen Umbrüchen führte, hat sich die Wirtschaft mit dem Erfordernis der Inklusion nicht schwer getan. Das ist eigentlich überraschend. Man braucht sich - um das zu sehen - nur vorzustellen, die Inklusion in das Erwerbleben müsse von jedem Interessenten eigenständig am Markt realisiert werden - eine beklemmende Vorstellung. Das ist deshalb nicht erforderlich geworden, weil die Industrialisierung gleichbedeutend war mit dem Aufbau von Organisationen, zum Beispiel in Form von Fabriken. Bislang wird dieser Faktor der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einseitig und damit unzulänglich unter dem Titel der Arbeitsteilung beschrieben.

Einseitig ist das deshalb, weil unter diesem Titel nicht bedacht wird, welche Bedeutung die Gleichsetzung von Unternehmen und Organisation nicht nur für die Effektivität, sondern auch für die Inklusion der Gesamtbevölkerung hatte. Die Organisationen der Unternehmen - Produktion, Dienstleistung und Verwaltung - ermöglichten nicht nur solche Effekte, wie sie Adam Smith beschrieben hat. Sie waren die Voraussetzung dafür, mit relativ wenigen Expertenrollen ("Arbeitgeber") einem riesigen Publikum ökonomischer Laien ("Arbeitnehmer") erwerbsseitig die Inklusion in das Funktionssystem Wirtschaft zu ermöglichen. Eine der inklusionstheoretischen Pointen der Organisationen bestand darin, daß auf dem Weg der Hierarchisierung die inklusionsvermittelnde Konstellation Experte/Laie bzw. Arbeitgeber/Arbeitnehmer in jeder Organisation mehrfach wiederholt und intern differenziert werden konnte durch die Konstellation Vorgesetzter/Untergebener.

Im Zusammenhang mit Organisationen entstand das Konzept der Mitgliedschaft. Die entsprechenden Rollen ließen sich derart spezifizieren, daß das Konstrukt des Arbeitsplatzes entstehen und sich organisationstechnisch bewähren konnte. Das wiederum machte es möglich, in enormem Umfang auch solche Kompetenzen ökonomisch zu inkludieren, die für sich allein überhaupt nicht marktfähig wären. Von Arbeitsplätzen geht eine derart eigentümliche sozialisierende Wirkung aus, daß man sich vielleicht nicht wundern darf, wenn wie selbstverständlich damit gerechnet wird, die gesamte Lebensplanung auf diesen Modus der Inklusion abstellen zu können.

Das Konzept des Arbeitsplatzes wird oft fälschlicherweise mit dem Konzept der Arbeitsteilung verwechselt. Das ist deshalb nicht zulässig, weil Arbeitsplätze nicht ohne Organisation möglich sind, Arbeitsteilung hingegen sehr wohl. Wer bei dieser Verwechslung bleibt, wird sich schwer damit tun, Verständnis für einen Trend zu entwickeln, der die Perspektiven der Partizipation bereits im aktuellen, mehr noch aber im Arbeitsmarkt der Zukunft grundlegend bestimmen wird. Die Rede ist vom Schwinden der Organisationen. So bedeutsam der "Betrieb" als Gefüge vororganisierter Arbeitsplätze für die Inklusion der gesamten Bevölkerung in das Erwerbsleben der Wirtschaft auch ist, so wenig kümmert sich die weltwirtschaftliche Konkurrenz um diese traditionelle Form des Unternehmens. Der Erfolg am Markt ist derart wählerisch, daß er die Unternehmen dazu zwingt, sich hoch flexible Formen zuzulegen. Und es ist jetzt bereits deutlich zu sehen, daß die klassische Organisation und damit das vertraute Konzept des Arbeitsplatzes auf der Strecke bleiben wird.

Man wird bereits in sehr naher Zukunft nicht mehr wie selbstverständlich davon ausgehen können, über vororganisierte Arbeitsplätze am Wirtschaftssystem zu partizipieren. Wenn nicht so, wie aber dann? Wie lassen sich in der erforderlichen Zahl die für vollständige Inklusion benötigten Komplementärrollen bilden? Kann die bisher so erfolgreiche, aber auch konfliktreiche Asymmetrie - Stichwort: "Klassenkampf" - als Voraussetzung der vollständigen Inklusion aufgegeben werden? Bei aller Unsicherheit in der Beantwortung dieser Frage wird man eines mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen: Das durch Organisationsbildung ermöglichte betriebsförmige Komplementärrollen-Gefüge wird sich angesichts der anhaltenden Trends zur Globalisierung, zur Automatisierung, zur Informatisierung usw. in dem gewohnten Ausmaß nicht aufrecht erhalten lassen. Betriebsförmigkeit wird zum Beispiel durch solche Formen wie Projektförmigkeit, durch Netzwerke und dergleichen wenn nicht vollständig, so aber doch weitreichend ersetzt. Eine Grundlage der gegenwärtigen Wirtschaftsverfassung: mehrere Komplementär- oder Publikumsrollen (Mitarbeiter) auf eine Expertenrolle (Vorgesetzter) - wird sich im erforderlichen Umfang nicht halten lassen.

Das hat vor allem die Konsequenz, daß sich die Orientierung des Verhaltens nicht mehr wie selbstverständlich an den Vorgaben von Vorgesetzten ausrichten kann. Oder die, daß mit der Relativierung betrieblich vermittelter Inklusion die Sozialform der Interaktion ihre Dominanz verliert. Interaktion, also Kommunikation unter der Bedingung von Anwesenheit der Teilnehmer, wird unter den Inklusionsbedingungen der Zukunft in hohem Ausmaß durch interaktionsfreie Kommunikation - zum Beispiel durch Texte von oft anonymen Partnern - ersetzt. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man die hier referierten Änderungen und die daraus folgenden Konsequenzen mit dem Ausdruck dramatisch belegt. Und es dürfte deutlich sein, daß eine dominant akteursbezogene Semantik sich mit dem Ausdeuten dieser Vorgänge schwer tut. Denn sie bezieht ihre Plausibilität aus dem Bezug auf einzelmenschliches Interesse - gesichertes Einkommen - , nicht aber aus dem ganz anderen Bezugspunkt der optimalen - und das heißt heute vor allem: der hoch variablen - Allokation von Ressourcen. Die Semantik des Arbeitsplatzes führt zu unpassenden Anschlüssen, Muster: demonstrieren, protestieren etc. Für die Partizipation hilfreicher wäre: innovative Suche nach Zahlungsbereitschaften.

Das gesellschaftliche Teilsystem Wirtschaft verdankt seine enorme Leistungsfähigkeit zu weiten Teilen der Tatsache, daß es funktionsautonom operiert. Alles Wirtschaften - heißt das mit anderen Worten - dreht sich im Kern um die immer wieder neu zu treffende Entscheidung, ob man zahlen soll oder nicht. Und es gibt nur ein einziges Kriterium, das einem bei der Entscheidung hilft: Man darf nur dann zahlen, wenn man durch diese Zahlung seine eigene Zahlungsfähigkeit reproduziert. Alles andere kann man sich nur sehr befristet leisten.

Diesem einzigen Gesichtspunkt - also: nur dann zahlen, wenn dadurch die eigene Zahlungsfähigkeit erhalten wird - ist jedes Unternehmen der Wirtschaft unabweisbar ausgesetzt. Dieser einzige Gesichtspunkt stiftet das, was man als die Funktionslogik der Wirtschaft bezeichnen kann. Diese Logik muß semantisch bewältigt werden, wenn man von dem autonomen Fungieren der Wirtschaft nicht erdrückt werden will, sondern daran partizipieren möchte. Eine geeignete Funktionssemantik moduliert deshalb nolens volens jede Art von Akteurssemantik. Denn Funktionsautonomie heißt vor allem: Die Logik der Wirtschaft ist völlig indifferent gegenüber individuellem Intendieren. Die Intentionalität der Akteure wird zur Zahlungsbereitschaft (Kunden) abstrahiert oder auf Motivierbarkeit (Mitarbeiter) reduziert.

Das Wirtschaftssystem temperiert den kühlen Anspruch seines Fungierens dadurch, daß es sich auf Menschen mit zwei verschiedenen Semantiken bezieht: einerseits mit der des Mitarbeiters, andererseits mit der des Kunden. Kunden müssen verwöhnt und hofiert werden. Einer der wichtigsten Leitsätze im modernen Management lautet: "Den Kundennutzen mehren!" (Tom Peters). Da alle Mitarbeiter auch Kunden sind, stellt sich die Frage, mit welcher ihrer funktionsbezogenen Adressen die Menschen sich eher identifizieren, mit der des Kunden oder mit der des Mitarbeiters. Wer dazu tendiert, sich von der Kundensemantik einfangen und blenden zu lassen, macht sich sein Leben als Mitarbeiter schwer. Wer es versäumt zu registrieren, daß die prächtig ausgestattete Figur des Kunden nicht als Einladung zur Identifikation, sondern als Instrument der Reflexion erfunden wurde, als ein Konstrukt, das instruiert, aber nur dadurch, daß es kujoniert, wer das alles nicht sonderlich mag, der wird die Konsequenzen noch weniger mögen.

Man sieht also: beide etablierte Semantiken, sowohl die zu Arbeit wie auch die zu Arbeitsplatz, erweisen sich mit Blick auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft als nicht mehr adäquat. - Bemühungen um ökonomische Partizipation werden von diesen Ausdeutungen nicht mehr befördert, sondern behindert. Die alltägliche Kommunikation wird sich deshalb darauf einstellen müssen, die aus den Differenzierungsfolgen herrührende Funktionssemantik in die alltäglichen Orientierungsmuster zu importieren. Wenn man Partizipation dadurch mitbedingt sieht, wie Akteurssemantik und Funktionssemantik aufeinander abgestimmt werden, dann kann man im Bereich der Wirtschaft - aber keineswegs nur in diesem Funktionssystem - das Erfordernis grundlegender Neuarrangements eigentlich nicht bestreiten.

Die Chancen dafür stehen gegenwärtig eher schlecht. Denn noch immer beharren große Teile der Sozialwissenschaften im Verein mit einflußreichen Publikationsmedien und Intellektuellen darauf, Soziales ausschließlich durch Bezug auf das Konstrukt des Akteurs zu beschreiben. Die Eigendynamik der ausdifferenzierten Funktionssysteme wird nach wie vor sei es ignoriert oder sogar diffamiert - ganz so, als ob man mit dieser Haltung außer Frustration noch irgend etwas Bemerkenswertes bewirken könnte.

Literaturhinweise

Otto Brunner, Das "ganze Haus” und die alteuropäische "Ökonomie”, In: Ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. 3. Aufl., Göttingen 1980 103-127.

Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt 1984.

Ders.: Die Wirtschaft der Gesellschaft. 2. Aufl., Frankfurt 1989.

Rudolf Stichweh, Inklusion in Funktionssysteme der modernen Gesellschaft. In: Renate Mayntz u.a. (Hg.): Differenzierung und Verselbständigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt 1988, S. 261-293.

Max Weber, Soziologische Grundbegriffe. 2. Aufl., Tübingen 1966.

Prof. Jürgen Markowitz lehrt Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Der folgende Text ist eine gekürzte und leicht veränderte Fassung von: Jürgen Markowitz, Zum Verhältnis von Schulkultur und Unternehmenskultur. In: Josef Keuffer u.a., Hg., Schulkultur als Gestaltungsaufgabe. Partizipation, Management, Lebensweltgestaltung. Weinheim 1998:101-117.

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